Berliner Zyklus

Mai-Gedicht Nr. 1

Der Sonntag hat sich rausgeputzt, wie er nur kann,
Die Ausflügler strömen aus der Bahn,
Mit Kind und Kegel, Sack und Pack, und schieben ihre Räder,
So wie sie floss aus Fontanes Feder,
So rollt sich aus die Landschaft der Mark,
Mit Feld und Wald, und Wiesen, und Gewässern,
Der liebe Gott hätt sie gestalten können kaum besser,
Der Flieder blüht und duftet opulent und stark
Beschattet von den grünen Baumkronen,
Beschienen von der goldnen Maiensonne,
Sodass Großstädter Ihre Seele baumeln lassen können
Inmitten grün-weiß-lila Wonnen…

Mai-Gedicht Nr. 2

So unberechenbar die S-Bahn in Berlin,
Dem Polizeieinsatz zu Opfer fiel die Fahrt,
Wie komme ich nun nach Grünau hin? –
Am Südkreuz stehe ich, vor Schreck erstarrt,
Denn mich lockt Trauts bunte Gartenstadt.
Damit der Traum nicht ins Wasser fällt,
Reise ich erstmal durch die halbe Welt,
Und nehme vom Flughafen einen Bus,
Auf den nun halbe Ewigkeit ich warten muss.
Es kommt mir alles äußerst ungelegen,
Dennoch um eine Lösung nie verlegen,
Ruf an ich die Stattreisen kurzerhand
Und gebe die Verspätung dort bekannt,
Und stürz mich atemlos aus dem Bus
Direkt in den Architekturgenuss,
Mit Flieder grüßt uns auch der Falkenberg,
Mit einem Riesenkasten Farben war hier Taut am Werk,
Voll Rostrots, Ockergelbs und Königsblaus,
Die Fenster runden sich wie Augen aus,
Vortreppen klettern flink aufs Gelände,
Erinnert ans Fachwerk so manche Blende,
Und stehn Spalier mit ihren spitzen Zinnen
Aus den Dächern ragende Kamine,
Einfaches Volk hier wohnen durfte wie im Märchen,
Mit einem eignen Bad, mit einem eignen Gärtchen….

Mai-Gedicht Nr. 3

Der Frühling ist sehr launisch in Berlin,
Nur kurz verwöhnen uns die Sonnenstrahlen,
An diesem freien Morgen kam mir in den Sinn,
Botanik anzuschauen in Dahlem,

Die ganze Welt die roten Mauern bergen –
Wald Nordamerikas, des Balkans Berge
Und Chinas Steppen, und Sibiriens Wiesen,
Denn Aufklärung gab hier die Devise:
Zu bilden suchte man das Volk
Auch hier mit mehr oder auch weniger Erfolg.

Ganz ohne einen Flieger nehmen müssen,
Liegt die Erdkugel mir zu Füßen,
Ich reise um die Welt im Kleinformat,
Vor meinen Augen sich wechseln die Landschaften,
Die nicht der liebe Gott erschaffen hat,
Geschaffen durch die Gärtner, die hier schafften.

Wie Dichtung lesen sich die Pflanzennamen auf Latein,
Schwermütig blüht die dunkle Iris des Balkans,
Den grauen Fels erklettern bunte Sträucher,
Kleinblüten, blau, weiß und gelb, besprenkeln dunklen Stein,
Vom nahen Teich ertönen Quack-Geräusche,
Die Madrigale eines Frosch-Galans.

Nun lauf ich durch den Arzneien-Garten,
Der unterteilt in die Heilkunde-Sparten,
Cicuta, Schlafmohn, Ginster sind darin,
Denn jedes Gift ist auch Medizin.

Ein Kraut findet sich für alle Zwecke,
Der liebe Gott erschuf uns eine Apotheke,
Für jedes Leiden liegt ein Mittelchen bereit,
Ich finde alte Hausmittel der Kindheit,

Ich wandre durch verschlungene Alleen,
Grünt dunkel Farn, rot leuchten Azaleen,
Hell-Sibrig-Rosa blühen Tamarisken
Mit schwer behängten puscheligen Rispen.

Un viele sinnlich Eindrücke nun erwarten
Mich in dem Tast- und Düfte-Garten,
Hier darf ich Blatt um Blatt anfassen,
Damit Aromen sich entfalten lassen,
Zwischen den Fingern ich zerreiben kann
Steinkraut, Minze, wilden Thymian.
Und wie die Biene, Honig tragend in die Waben,
Mich am Zitronenkraut laben.

Umwedelt von den hohen Pappelbäumen,
Vor ihm ein grüner Teppich ausgerollt,
Denn rot-weiß-blau Blumenbeete säumen,
Ein Glaspalast des Gartens Pracht nun krönen sollt.

Sich wölbt und bauscht er gleich einem Fischebauch,
Und glänzt sein Glas gleich silbrigen Fischschuppen auch.

Berliner Zyklus

Das April-Gedicht

Die Mühn der Woche hinter mir gelassen,
Durchbricht die Wolken gar ein Sonnenstrahl,
So viel Freizeit vor mir, ich kann’s nicht fassen,
Ich freue mich aufs allererste Mal –
An diesem Morgen so beschwingt wie nie
Ich gehe in die Neue Galerie,
In Mieses … Hallen will lustwandeln,
Und mit der Kunst der wilden Zwanziger anbandeln,

Der Wind fegt durch die Straßen, kalt und rau,
Der Himmel winterlich, die Wolken grau,
Doch vor Vorfreude schmilzt mein Herz und taut,
Ein schönes Heim hat Mies der Kunst erbaut.

Das Auge weiß nicht, wie alles aufnehmen!
So viele Farben, Formen und Gestalten stürzen auf mich ein,
Hier stacken Kirchners eckige Weiber mir entgegen,
Da drüben fällt der Eifelturm gleich in den Saal hinein,
Hier drehen, wenden sich und tanzen de Skulpturen,
Dort an de Wand unendlich mehren sich kubistische Figuren,
Aus der Leinwand Licht und Gekreisch der Straßenbahn,
Die Menschen taumeln, die Häuser stürzen,
In grellen Farben tobt der Großstadt-Wahn,
Im nächsten Raum Geometrien purzeln,
Und schlagen auch Rad mit viel Elan,

Unter den schwebenden Pagoden ess ich Käsekuchen,
Mit Blaubeeren, New York Style,
Und zärter schmelzend könnte er nicht sein,
Doch über den Kaffeepreis muss ich fluchen,
Ganz schwindlig wird es mir, befürchte ich, gleich, weil
Die psychedelischen Tapeten zoomen rein,
Und sich entfernen, kommen wieder näher,
Als wollten sie mir meinen Kopf verdrehen,

Man atmet Kunst, nimmt in der Kunst ein Bad…

Aus meinem Berliner Zyklus

Das Februar-Gedicht

Berlin ist sicherlich kein Ort zum Sich-Langweilen,
An jeder Straßenecke könnte ich verweilen,
Und mir anschauen jeden Stein,
Nein, nein,
Ich fühle mich gar nicht allein,
Doch würde ich gern die Augenweiden teilen,
Mit einem oder einer,
Der/die darauf sich versteht,
Des gleichen Schrittes mit mir geht,
Und Gleiches lässt sie lachen oder weinen,
Genau da, wo mir, Ihm/ihr der Atem stockt,
Und Gleiches sie aus der Reserve lockt.
Ach, wäre’s eine Wonne…
Doch komme ich prima aus ohne,
Ich bin mir selbst der beste Gesprächspartner,
So muss ich nicht auf Gleichgesinnte warten,
Ich bin mir selbst der beste Compagnon,
Ich selbst auf meinem hohen goldnen Thron,
Gesetze meines Lebens kann diktieren,
Und auch in den andren Welten schwirren,
Ich lasse mich gar nicht beirren,
Es lässt sich bestens mit mir selbst parlieren,
Und in dem Großstadtgewirr verlieren,
In einen gelben Doppeldecker steigen,
Und Häuser tanzen kunterbunte Reigen,
Und ihre Fenster blinzeln einem zu,
In meinem Herzen – herrliche Unruh:
Was mag noch alles auf mich warten-
Denn tausend Blumen blühn in diesem Tausend-Welten-Garten,
So viele, wie zu pflücken ich bereit.
Ich schau nicht zu der verschlossenen Tür,
Im tiefen Grunde bin ich Frohnatur,
Und die Musik des Lebens spielen soll
Mir in beschwingtem Dur,
Und nicht in traurigem Moll,
Meine Berliner Symphonie
Erklingen soll so bravurös wie nie…

Перевод на русский: Отклик. Сара Тисдейл

Отклик. Сара Тисдейл

Мрак разорвал крик,

Бездну пронзив верст,

Молнии быстрой блик,

Имя мое он нес.

Голосу твоему,

Что бередит, любя,

Отклик я шлю сквозь тьму:

Слышу тебя! Тебя!

Message. Sara Teasdale

I heard a cry in the night,

A thousand miles it came,

Sharp as a flash of light,

My name, my name!

It was your voice I heard,

You waked and loved me so —

I send you back this word,

I know, I know!

Попытка перевода: Несентиментальный романс. Эрих Кестнер

Попытка перевода

(Конструктивная критика очень даже приветствуется)

Несентиментальный роман. Эрих Кестнер

Восемь лет они были знакомы,

(Да и не только знакомы — близки),

Когда испарилась любовь из дома,

Так зонт теряется или очки.

(Вариант 1-го четверостишия:

Были лет восемь знакомы, даже

Скажем: не только знакомы – близки,

Да вот обнаружили вдруг пропажу,

Посеяв любовь словно зонт, как очки.)

Налево с тоски оба бойко ходили,

А-то целоваться бросались взапой,

И вдруг прочитали во взгляде: «приплыли»,

Рыдала она. Слился он со стеной.

Из окон их вид открывался на гавань,

Однако, – заметил он, – пятый уж час,

Спуститься и кофе попить бы пора нам,

Сосед свои гаммы играл в сотый раз.

Сидели они в закутке кофе-бара,

И ложка о донце все бряк,

Ни встать, ни уйти не могла эта пара,

Сидели в молчаньи, давно уж смеркалось,

И думали все: «Как же так?»

Original:

Sachliche Romanze. Erich Kästner

Als sie einander acht Jahre kannten

(und man darf sagen: sie kannten sich gut),

kam ihre Liebe plötzlich abhanden.

Wie andern Leuten ein Stock oder Hut.

Sie waren traurig, betrugen sich heiter,

versuchten Küsse, als ob nichts sei,

und sahen sich an und wußten nicht weiter.

Da weinte sie schließlich. Und er stand dabei.

Vom Fenster aus konnte man Schiffen winken.

Er sagte, es wäre schon Viertel nach Vier

und Zeit, irgendwo Kaffee zu trinken.

Nebenan übte ein Mensch Klavier.

Sie gingen ins kleinste Cafe am Ort

und rührten in ihren Tassen.

Am Abend saßen sie immer noch dort.

Sie saßen allein, und sie sprachen kein Wort

und konnten es einfach nicht fassen.

“We outgrow love…” Emily Dickinson

“We outgrow love like other things

And put it in the drawer,

Till it an antique fashion shows

Like costumes grandsires wore.”

Emily Dickinson

Перевод на русский

Мы вырастаем из любви как из всего на свете,

Тогда-то и приходит срок в комод ее убрать,

Доколь не сделалась она музейным раритетом,

Подобно пышным робам тем, что надевала знать.

2-й вариант

А станет нам мала любовь,

Кладем на дно комода,

Пока не заблистает вновь,

Вровнь робам старомодным.